Roaminggebühren und Netzneutralität – EU schafft beides ab

Roaminggebühren und Netzneutralität - EU

Das Europaparlament hat entschieden. Gestern beschlossen die Abgeordneten, dass die Roaminggebühren – wie vor einigen Wochen zwischen Vertretern der Mitgliedsländer und des Parlaments ausgearbeitet – endlich abgeschafft werden. Allerdings haben sich die Parlamentarier ein faules Ei ins Nest legen lassen. Denn über diesen Punkt konnten sie nur im Paket mit neuen Vorgaben zur Netzneutralität abstimmen. Daher hat das Parlament diese ganz nebenbei ebenfalls abgeschafft.

Roaminggebühren fallen ab 15.06.2017 endlich weg

Lange hat es gedauert, bis der Streit um die Roaminggebühren nun im Sinne der Handynutzer aufgelöst wurde. Ab 15.06.2017 fallen die Extragebühren für das Telefonieren und Surfen im Ausland weg. Allerdings beinhaltet der Kompromiss für Anbieter auch die Möglichkeit, ein „Fair-Use-Prinzip“ geltend zu machen. Das bedeutet konkret, dass sie ein zu exzessives Nutzen von Mobilgeräten in ausländischen Netzen mit zusätzlichen Gebühren belegen dürfen. An diesem Punkt sind die Nutzer ein Stück weit der Willkür ihres Anbieters ausgesetzt, denn konkrete Eckwerte hat das Parlament nicht beschlossen. Grundsätzlich ist dieser überfällige Schritt aber im Sinne der Nutzer. Die genaue praktische Auslegung der Fair-Use-Regelungen bleibt allerdings abzuwarten.

Netzneutralität: Freies Internet bedroht

Ganz und gar nicht im Sinne der Nutzer ist hingegen das faktische Abschaffen der Netzneutralität. Zwar haben die Abgeordneten sich grundsätzlich für die Beibehaltung der Netzneutralität ausgesprochen, allerdings auch nicht näher definierte Ausnahmen zugelassen. Das bedeutet: Bestimmte Dienste wie zum Beispiel Streamingangebote großer Konzerne könnte Vorrang gewährt werden. Das bedeutet aus Sicht von Kritikern nichts anderes eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Internet, bei denen sich einzelne Anbieter schnelle Leitungen und Vorrang im WWW erkaufen könnten. Provider können zudem einfach einzelne Leitungen drosseln und so den „Verkehr regeln“. Damit schafft diese Regelungsmöglichkeit keinen Anreiz, Leitungen auszubauen. Die Verbraucherzentralen fordern in diesem Zusammenhang Vorgaben, dass Überholspuren im Internet nicht zulasten eines freien Zugangs für die Verbraucher führen.

Zwar hat EU-Kommissar Oettinger in einer Rede klargestellt, dass Ausnahmen ausschließlich für Dienste wie Notrufe u. ä gelten sollen, diese Formulierung findet sich jedoch ausdrücklich nicht im beschlossenen Gesetz. In diesem Zusammenhang hatte Tim Berners-Lee, der 1989 das Internet in seiner heutigen Form „erfunden“ hat, vor diesem Gesetzentwurf gewarnt. Dieser, so der Experte, bedrohe das freie Internet.

Update vom 22.09.2016

Zwischenzeitlich wollte die EU-Kommission den Wegfall der Roaminggebühren auf 90 Tage im Jahr beschränken. Damit hätten Urlauber keine Zusatzkosten für das Nutzen des Mobilfunknetzes im Ausland zahlen müssen. Geschäftsreisende wären aber ggf. weiter von Roaminggebühren betroffen gewesen.

Diese Überlegung hat die EU-Kommission auf Druck von Verbraucherverbänden fallen lassen. Damit können ab 15.06.2017 alle Nutzer innerhalb der EU ihr Smartphone nutzen, ohne im Ausland zusätzliche Roamingkosten befürchten zu müssen. Allerdings sollen die Netzbetreiber bei eklatantem Missbrauch bisher noch nicht klar definierte Sanktionsmöglichkeiten erhalten.

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