Netzneutralität – Stream On der Telekom erlaubt, aber gerüffelt

Netzneutralität - Stream On der Telekom erlaubt, aber gerüffelt

Netzneutralität ist ein hohes Gut. Das hat die Europäische Union dazu bewogen, den freien und gleichberechtigten Datenverkehr im Internet über kommerzielle Interessen von Einzelunternehmen zu stellen. Grundsätzlich. Denn es gibt Schlupflöcher, die zum Beispiel die Telekom mit Stream On oder seit kurzem Vodafone mit den Datenpässen geschickt ausnutzen. Dabei stellen die Unternehmen Services wie zum Beispiel Musik- und Videoangebote bereit, die nicht auf das Datenvolumen angerechnet werden. Das umgeht nach Meinung von Verbraucherschützern die Netzneutralität. Nun hat die Bundesnetzagentur das Telekom-Angebot geprüft.

Bundesnetzagentur: Telekom verstößt nicht gegen Netzneutralität

Die Behörde kommt zu dem Ergebnis, dass die Telekom mit Stream On grundsätzlich nicht die Netzneutralität verletzt. Allerdings gibt es zwei deutliche Kritikpunkte mit der Aufforderung zum Nachbessern:

  • Im Tarif L drosselt die Telekom die Bandbreite beim Ausstrahlen von Videos auf DVD-Qualität, die Tonspur bleibt uneingeschränkt erhalten. Damit umgeht das Unternehmen das Gebot der Gleichbehandlung des Datenverkehrs.
  • Stream-On-Kunden können im Ausland das Freikontingent nicht nutzen. Dieses wird auf Ihr reguläres Datenvolumen angerechnet. Das Unternehmen müsse demnach Kunden im Ausland ebenfalls den freien Zugang zu den Stream-On-Angeboten ermöglichen.

Beide Kritikpunkte sind mit einer Aufforderung zur Nachbesserung verbunden. Grundsätzlich sind empfindliche Strafen für Verstöße gegen die Netzneutralität vorgesehen. Diese reichen von Bußgeldern bis zum Untersagen von Angeboten. Die Telekom hat nun zwei Wochen Zeit zur Nachbesserung. In einer ersten Stellungnahme sieht das Unternehmen die Einschätzung der Bundesnetzagentur als sehr enge Interpretation der EU-Regelung an.

Stream On: Ist die Netzneutralität dennoch ausgehöhlt?

Die Kritikpunkte der Bundesnetzagentur zeigen deutlich, dass ein kreativer Umgang mit der Netzneutralität offenbar erlaubt ist, aber zugleich Grenzen hat. Die Verbraucherzentralen hatten Stream On bereits im Frühjahr scharf kritisiert und nun erneuert. Sie sehen nicht nur die Netzneutralität gefährdet, sondern auf Nutzer höhere Preise und weniger Wahlfreiheit zukommen.

Diese Einschätzung teilen offenbar auch einige Anbieter. So hatte das Videoportal Vimeo eine Stellungnahme (veröffentlicht bei netzpolitik.org) gegenüber der Bundesnetzagentur abgegeben. Das Portal sieht sich demnach aus mehreren Gründen nicht in der Lage, die besonderen technischen und rechtlichen Anforderungen der Telekom an das „Zero-Streaming“ (Streamen ohne Anrechnung auf das Datenvolumen) nachzukommen. Das führt zu einer Benachteiligung dieses Angebotes und anderer Dienste.

Was sich durch Stream On und ähnliche Dienste ändern könnte

Die Folge könnte sein, dass insbesondere kleine Anbieter von Angeboten wie Stream On ausgeschlossen sind. Damit lenken und beeinflussen DSL- und Mobilfunkanbieter grundsätzlich die Verbreitung von Angeboten im Internet, obwohl laut Grundsatz der Netzneutralität kein Angebot bevorzugt werden darf.

Eine weitere Folge ist, dass Anbieter die Anforderungen mehrerer Streaming-Dienstleister erfüllen müssten, um überall in das „Zero-Streaming“ aufgenommen werden zu können. Dem steht ein erheblicher technischer und ggf. finanzieller Aufwand gegenüber. Speziell Medien- und Spiele-Anbieter verlieren jedoch gegenüber der Konkurrenz ggf. Kunden, wenn Sie ihre Angebote nicht bei Stream On o. Ä. einbringen können. Hinzu kommt, dass gerade Datenfresser wie Spiele und Videos nach Aufbrauchen des Datenvolumens gedrosselt werden – anders als die über Zero-Streaming laufende Konkurrenz.

Die Netzneutralität gerät durch die Einschätzung der Bundesnetzagentur daher ins Wanken. Auf der einen Seite steht die reine Bereitstellung von Angeboten ohne Anrechnung auf das Datenvolumen. Auf der anderen Seite ist damit aber ein direkter Nachteil aller anderen Angebote verbunden. Solange die Bereitstellung bei Stream On und anderen Angeboten keinen sofortigen Geschwindigkeitsvorteil beim „Zero-Streaming“ beinhaltet, dürfte sich an der Einschätzung der Bundesnetzagentur vorerst wenig ändern.

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