
Kaum ein anderes Medienformat hat in den letzten Jahren eine derart rasante Entwicklung hingelegt wie das Kurzvideo. Plattformen wie TikTok, Instagram Reels oder YouTube Shorts dominieren inzwischen den digitalen Alltag vieler Menschen. Die neue Studie „Video Trends 2025“ der Medienanstalten belegt, wie stark sich dieser Trend etabliert hat – und welche gesellschaftlichen Fragen er aufwirft.
Während bei den 14- bis 29-Jährigen über 90 Prozent mindestens eines der genannten Angebote nutzen, ist es in der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren bereits mehr als die Hälfte. Damit sind Kurzvideos längst kein Phänomen der Jugend mehr, sondern ein Massenmedium.
Zwischen Unterhaltung und Überforderung
Die Untersuchung zeigt deutlich: Kurzvideos sind ein fesselndes Format – oft stärker, als es den Nutzenden bewusst ist.
Eine Mehrheit gibt an, mehr Zeit mit dem Schauen zu verbringen, als ihnen lieb ist. Besonders in der Gruppe der 14- bis 19-Jährigen ist der sogenannte „Suchtfaktor“ alarmierend hoch: Zwei Drittel dieser jungen Nutzerinnen und Nutzer konsumieren länger, als sie eigentlich vorhatten.
Der Grund liegt im System: Die Algorithmen der Plattformen sind darauf ausgelegt, die Nutzerinnen und Nutzer mit immer neuen Inhalten zu versorgen. Was spannend, emotional oder überraschend wirkt, wird sofort nachgeliefert. So entsteht ein endloser Strom von Reizen, der das Scrollen zur Gewohnheit – und manchmal zur Abhängigkeit – macht.
Kurzvideos als neue Informationsquelle
Doch die kurzen Clips sind längst mehr als bloße Unterhaltung. Rund ein Drittel der Befragten nutzt Kurzvideos gezielt, um sich zu informieren. Besonders junge Menschen begegnen Nachrichten, Politik und gesellschaftlichen Themen heute über TikTok & Co. Traditionelle Medien wie das lineare Fernsehen und die gedruckte Tageszeitung spielen für viele Menschen eine immer geringere Rolle.
Die Studie zeigt dabei ein interessantes Ranking der Informationsquellen in Kurzvideos:
- Parteien, Politikerinnen und Politiker belegen die Spitzenplätze, insbesondere während Wahlkämpfen.
- Influencerinnen und Influencer folgen mit eigenen Einschätzungen und Kommentaren zu politischen oder gesellschaftlichen Themen.
- Medienmarken und journalistische Angebote klassischer Anbieter landen erst auf Platz fünf.
- Wissenschaftliche und faktenbasierte Inhalte gewinnen an Bedeutung, bleiben aber in Reichweite und Interaktion meist hinter Unterhaltung zurück.
Damit verschiebt sich das Machtgefüge in der digitalen Informationslandschaft: Politische Kommunikation findet zunehmend auf Plattformen statt, die ursprünglich für Unterhaltung gedacht waren.
Gesellschaftliche Bedeutung und Verantwortung
Kurzvideos prägen inzwischen nicht nur, was Menschen sehen, sondern auch, wie sie denken und diskutieren.
Wenn politische Botschaften, gesellschaftliche Debatten oder Nachrichten in 30-Sekunden-Clips vermittelt werden, stellt sich die Frage: Wie verändert das unsere Wahrnehmung von Relevanz, Tiefe und Wahrheit?
Für Journalistinnen, Medienhäuser und Bildungseinrichtungen bedeutet das eine Herausforderung – und eine Chance: Wer die Mechanismen des Formats versteht, kann seriöse Inhalte neu erzählen, um auch dort Gehör zu finden, wo Aufmerksamkeit zur knappsten Ressource geworden ist.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar