Jugendschutz – Forderung nach Lösung zur Altersverifikation im Netz

Jugendschutz – Forderung nach Lösung zur Altersverifikation im Netz

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen soll online wesentlich verbessert werden. Seit einiger Zeit diskutiert das EU-Parlament intensiv über eine EU-weite Pflicht zur Alterskontrolle. Noch gibt es jedoch keine Einigung. Während einige auf einheitliche Lösungen drängen, gibt es auch Kritiker, die vor Eingriffen in die Privatsphäre warnen.

Welchen Gefahren sind Kinder und Jugendliche im Netz ausgesetzt?

Die Nutzung des Internets gehört für die meisten Kinder und Jugendlichen zu ihrem Alltag. Sie nutzen das Netz intensiver als jede andere Altersgruppe und sind über soziale Netzwerke mit Freunden verbunden, nutzen Videoplattformen oder spielen Online-Spiele. Dabei sind Minderjährige in der Online-Welt auch permanent einer Vielzahl von erheblichen Risiken ausgesetzt. Neben den bekannteren Themen wie Gewaltdarstellungen, sexualisierter Gewalt, Cybermobbing und Pornografie gibt es noch weitere Gefahren. Dazu zählen unter anderem das sogenannte Grooming, bei dem die Täter versuchen, das Vertrauen der Minderjährigen zu gewinnen. Später kann es dann zu Erpressungen oder sogar realen Übergriffen kommen. Aber auch der Identitätsdiebstahl und Datenmissbrauch dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Denn speziell Kinder und Jugendliche gehen häufig sehr unbedacht mit ihren persönlichen Daten im Netz um. Weitere Risiken für Minderjährige sind die enorme Suchtgefahr nach exzessiver Bildschirmzeit, Verschwörungstheorien und Falschinformationen sowie Lootboxen in Online-Games. Diese Vielzahl an Gefahren im Netz zeigt, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt. Daher wird auch die Forderung nach einer Lösung für die grundlegende Frage, wie Online-Plattformen gestaltet und reguliert werden können, immer lauter.

Wer vertritt im EU-Parlament welche Meinung?

Bereits seit Monaten wird im Europäischen Parlament intensiv über eine verpflichtende Altersverifikation im Internet diskutiert. Es soll eine Altersverifikation eingeführt werden, um Minderjährige zu schützen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass eine entsprechende Kontrolle tief in die Freiheitsrechte eingreifen könnte. Die Meinungen sind daher auch auf europäischer Ebene gespalten. Insbesondere die Verhandlungsführerin Christel Schaldemose von den Sozialdemokraten (S&D) fordert eine einheitliche, schwer umgehbare Lösung zu einer entsprechenden Alterskontrolle. Umgesetzt werden soll dies im Rahmen des sogenannten Digital Fairness Act. Doch bereits innerhalb der Fraktion der Sozialdemokraten herrscht Uneinigkeit. Denn während manche den Jugendschutz im Vordergrund sehen, zweifeln andere an der Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme. Es werden Eingriffe in die Grundrechte befürchtet. Letzteres betrifft auch die Grüne und die Linke. Diese lehnen eine verpflichtende Alterskontrolle entschieden ab. Die Gründe hierfür sind, dass massive Eingriffe in die Privatsphäre befürchtet werden. Ferner haben sie Bedenken bezüglich einer Normalisierung von Überwachungstechnologien. Die Liberalen (Renew-Fraktion) sprechen sich grundsätzlich für eine verpflichtende Altersverifizierung aus. Dabei sollen jedoch sämtliche Risiken für den Datenschutz sowie Bürgerrechte berücksichtigt werden. Prinzipiell ebenfalls für eine Alterskontrolle ist die rechtspopulistische Gruppe (Patrioten für Europa, ECR). Allerdings nur unter wesentlichen Bedingungen: Es darf keine Einschränkungen der Meinungsfreiheit geben, zudem muss eine umfassende Überwachung ausgeschlossen werden. Die Fraktion vertritt zudem die Position, dass möglichst auf nationaler Ebene entschieden werden soll. Sie betonen zudem die Verantwortung der Eltern. Das zeigt, dass sich nicht einmal innerhalb der Fraktionen eine klare Meinung abzeichnet.

Wie ist der aktuelle Stand in der EU?

Die EU-Kommission verweist auf ihre Leitlinien zur Auslegung von Artikel 28 des DSA (Digital Service Act), in dem es heißt, dass Online-Plattformen „Maßnahmen ergreifen müssen, um ein hohes Maß an Privatsphäre und Sicherheit für Minderjährige zu gewährleisten“. Ein Ansatz der Europäischen Union ist eine App zur Altersüberprüfung, die aktuell in fünf Mitgliedsstaaten getestet wird. Dabei handelt es sich um Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien und Spanien. Die App wird mit dem Personalausweis oder einer Banking-App verknüpft. Es wird jedoch ausschließlich das Alter, nicht aber der Name oder weitere Daten, gespeichert. Wenn eine altersbeschränkte Webseite aufgerufen wird, kann per PIN oder Fingerabdruck anonym geprüft werden, ob der Nutzer bereits volljährig ist. Ziel ist es, diese Technik langfristig in den digitalen EU-Ausweis (EUid) zu integrieren. Dieser soll ab Ende nächsten Jahres verfügbar sein und auch hierzulande eingeführt werden. Durch die App soll eine „robuste, benutzerfreundliche und datenschutzkonforme“ Lösung, die Minderjährige schützt, ohne unnötig viele Daten preiszugeben, geschaffen werden.

Welche Lösungsansätze gibt es in anderen Ländern?

Ein Blick nach Großbritannien zeigt, wie dort mit dem Problem rund um die Alterskontrolle umgegangen wird. Dort gilt seit Kurzem der Online Safety Act. Auf der Vertriebsplattform Steam ist beispielsweise für den Zugang zu Spielen mit Erwachseneninhalten eine Kreditkarte erforderlich. Da Kreditkarten dort erst ab 18 Jahren erhältlich sind, wird Minderjährigen automatisch der Zugriff verwehrt. Allerdings schließt diese Lösung auch Erwachsene aus, die keine Kreditkarte besitzen. Das Beispiel zeigt, dass der Nachweis einer Kreditkarte oder Premium-Kreditkarte wie der American Express ein Ansatz ist. Allerdings bringen solche technischen Lösungen auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen mit sich.

Welche Risiken und Herausforderungen gibt es?

Wissenschaftler weisen darauf hin, dass Altersverifikationen in Demokratien ein sensibles Thema darstellen. Denn sie bergen das Risiko von Eingriffen in die Privatsphäre, die Gefahr von Datenlecks und Identitätsdiebstahl, Verhaltensüberwachung durch Plattformen sowie die Einschränkung der Autonomie von Nutzern. Zudem gibt es technische Herausforderungen. Bisher existiert kein europaweit einheitlicher rechtlicher und technischer Rahmen. Auch Bürgerrechtsorganisationen und Kinderschutzverbände mahnen, dass eine bloße Alterskontrolle das eigentliche Problem nicht löst. Die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights warnt:

„Der enge Fokus auf Altersbeschränkung verschleiert die Tatsache, dass die systemischen Designentscheidungen auf Plattformebene die eigentliche Ursache für Schäden sind, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen betreffen.“

Und auch die Kinderschutzorganisation ECPT äußert sich kritisch:

„Das Recht eines Kindes auf Online-Sicherheit kann niemals durch die Implementierung von Alterssicherungstechnologien auf ausgewählten Websites oder Plattformen gewährleistet werden.“

Stattdessen müsse es darum gehen, die Inhalte für verschiedene Altersgruppen besser anzupassen und Anbieter stärker in die Pflicht zu nehmen. All das macht deutlich, dass das EU-Parlament aktuell vor einem Dilemma steht. Nun muss zwischen dem Wunsch, Kinder und Jugendliche im Netz besser zu schützen, und den damit einhergehenden Risiken für Privatsphäre, Freiheit und technische Umsetzbarkeit abgewogen werden.

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