OLG-Urteil zu Kryptowährung – Kein Schutz bei geteilten Zugangsdaten

OLG-Urteil zu Kryptowährung – kein Schutz bei geteilten Zugangsdaten

Wer seine Zugangsdaten zu seiner digitalen Wallet mit einer anderen Person teilt, hat im Missbrauchsfall keinen rechtlichen Schutz. Dieses wegweisende Urteil wurde vom Oberlandesgericht Braunschweig gefällt (Aktenzeichen: 2 Qs 53/24). Die Entscheidung dürfte für alle Anleger und Eigentümer von Kryptowährung von hoher Bedeutung sein.

Wie kam es zu dem Streit vor Gericht?

Das OLG musste sich mit dem Sachverhalt auseinandersetzen, da ein Anleger eine externe Person damit beauftragt hatte, ihm bei der Einrichtung seiner Krypto-Wallets zu helfen, und diese das virtuelle Geld entwendete. In den Vorinstanzen hatten sich damit bereits das Amtsgericht Göttingen und das Landgericht Göttingen mit dem Sachverhalt beschäftigt. Der Beschuldigte erhielt vom Anleger selbst Zugriff auf die notwendigen Zugangsdaten, insbesondere auf die sogenannte „Sheed-Phrase“. Dies war für die Hilfe bei der Einrichtung notwendig. Die „Sheed-Phrase“ besteht in der Regel aus 24 Wörtern, die den privaten Schlüssel ersetzen und hierdurch den alleinigen Zugang zu den digitalen Vermögenswerten ermöglichen. Der beauftragte Admin soll im Anschluss, ohne das Wissen des Anlegers, die Kryptowährung auf zwei andere Wallets übertragen haben. Insgesamt geht es um 25 Millionen digitale Coins. Der Geschädigte sah hierin eine unbefugte Übertragung. Da er der Auffassung ist, um sein Vermögen gebracht worden zu sein, wandte er sich an das Gericht. Die Staatsanwaltschaft versuchte durch eine Arrestanordnung Vermögenswerte des Beschuldigten in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro zu sichern. Allerdings hob bereits das Landgericht Göttingen in erster Instanz diese Anordnung auf. Der Fall landete daraufhin beim Oberlandesgericht Braunschweig, das jedoch zu dem gleichen Entschluss kam: Es liegt kein strafrechtlicher Anfangsverdacht vor. Mit dem Beschluss des OLG wurde ein viel diskutierter Fall abgeschlossen.

Wie hat das OLG seine Entscheidung begründet?

Dass der Beschuldigte ohne rechtliche Strafe „davonkommt“, begründeten die Richter damit, dass keinerlei Straftatbestände vorliegen. Zum einen scheide ein Computerbetrug gemäß § 263a StGB aus, da es an der notwendigen „unbefugten Einwirkung auf das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs“ fehle. Die Transaktion sei laut Gericht allein durch die Eingabe des Private Keys erfolgt und in dessen Besitz war der Beschuldigte rechtmäßig, da der Anleger ihm die „Sheed Phrase“ selbst überlassen hatte. Das OLG macht deutlich: Im Verhältnis zur Blockchain gilt jede Person als berechtigt, die im Besitz des privaten Schlüssels ist. Das System prüft lediglich, ob dieser Schlüssel gültig ist, nicht, ob die Person rechtmäßig dazu „befugt“ ist, ihn zu verwenden. Damit fehlt e an der für einen Computerbetrug notwendigen unbefugten Handlung. Auch den Straftatbestand des Ausspähens von Daten gemäß § 202a StGB verneinen die Richter. Um diesen Tatbestand zu erfüllen, fehlt es im vorliegenden Sachverhalt an der Überwindung einer „besonderen Sicherung“. Dies sei nicht der Fall gewesen, da der Beschuldigte keine zusätzlichen Schutzmechanismen umgehen musste.

„[…] es kann nicht außer Betracht bleiben, dass Transaktionen innerhalb der Blockchain bewusst und gewollt anonym durchgeführt werden und die Zuordnung der Kryptowerte deshalb auch nicht zu Personen, sondern nur zu „Schlüsseln“ erfolgt. Zur Ausführung einer Transaktion betreffend die einem öffentlichen Schlüssel zugeordneten Kryptowerte befugt ist im Verhältnis zur Blockchain nach deren Regeln damit zunächst jede Person, die über den zutreffenden Private Key verfügt“, heißt es unter anderem im Urteil.

Selbst der Straftatbestand der Datenveränderung gemäß § 303a StGB wurde vom Oberlandesgericht ausgeschlossen. Bei der Tokenübertragung liegt zweifelsfrei eine Datenveränderung vor, doch diese rechnet das Gericht dem Beschuldigten nicht zu. Nach Auffassung der Richter erfolgt die eigentliche Veränderung der Daten nämlich nicht durch den Ausführenden, sondern durch das Blockchain-Netzwerk, das die Transaktion bestätigt und dokumentiert.

Was bedeutet das Urteil?

Für den Anleger hat die Entscheidung des Gerichts drastische Konsequenzen. Die 25 Millionen Coins sind unwiederbringlich verloren und eine strafrechtliche Aufarbeitung findet nicht statt. Der Beschuldigte bleibt trotz des immensen Schadens straffrei. Der Fall zeigt, dass die aktuell bestehenden Gesetze mit der technischen Realität digitaler Währungen nur zum Teil kompatibel sind. Denn selbst die Straftatbestände, die auf klassische Datenverarbeitungs- oder Eigentumsdelikte zugeschnitten sind, sind in der Welt von Kryptowährung oft nicht anwendbar. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig sollte allen Anlegern und Besitzern von Kryptowährung deutlich machen, dass sie nicht auf rechtlichen Schutz im Missbrauchsfall zählen können. Das bedeutet, dass die Verantwortung für den Schutz der digitalen Vermögenswerte bei den Eigentümern selbst liegt. Jeder, der Kryptowährung besitzt, sollte daher seine Passwörter und Daten sehr gut schützen und nicht mit anderen teilen. Der Strafrechtler Jens Ferner sieht in der Entscheidung „eine durchaus überraschende Zäsur“. Der Gesetzgeber muss dringend handeln, wie der vorliegende Fall zeigt. Künftig sind klare strafrechtliche Normen, die virtuelle Vermögenswerte eindeutig erfassen, notwendig.

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