
Mit seinem Urteil vom 24. September 2025 (Az. 2 O 64/23) hat das Landgericht Karlsruhe eine Entscheidung gefällt, die Eltern in Zeiten von Tablets, Smartphones und Online-Spielen aufhorchen lässt. Ein Vater hatte geklagt, weil sein damals sieben- bis achtjähriger Sohn auf Google Play Store mehr als 1.200 In-App-Käufe im Wert von rund 33.700 Euro getätigt hatte – ohne sein Wissen. Der Vater verlangte die Rückerstattung der Beträge vom Plattformbetreiber, doch das Gericht wies die Klage ab.
Warum das Gericht die Eltern in der Pflicht sieht?
Nach Ansicht des Gerichts lag kein unautorisierter Betrug vor, sondern eine sogenannte Anscheinsvollmacht: Der Vater habe durch sein Verhalten den Rechtsschein gesetzt, dass über sein Konto autorisierte Einkäufe erfolgen dürfen.
Er hatte das Konto selbst eingerichtet, seine Kreditkarte hinterlegt und das Gerät später seinem Sohn überlassen – ohne Passwortschutz, Budgetbeschränkung oder Familienkonto-Funktion. Über fast 20 Monate liefen Hunderte von Käufen, ohne dass der Vater die Kreditkartenabrechnungen oder Bestätigungs-E-Mails kontrollierte.
„Wer einem Kind Zugang zu einem Nutzerkonto mit hinterlegtem Zahlungsmittel gewährt und jahrelang keine Kontrolle ausübt, setzt selbst den zurechenbaren Rechtsschein für die autorisierte Nutzung.“
Selbst die Minderjährigkeit des Sohnes ändere nichts an dieser Zurechnung. Denn nach § 165 BGB könne auch ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger wirksam im Rahmen einer Rechtsscheinhaftung handeln.
Ein Weckruf für Eltern
Das Urteil macht deutlich: Digitale Aufsichtspflicht ist keine Nebensache. Wer Geräte, Konten oder Kreditkarten unkontrolliert Kindern überlässt, trägt das volle Risiko. Die Karlsruher Richter betonen, dass Eltern technische Schutzmaßnahmen wie Kaufgenehmigungen, Kinderkonten oder Budgets aktiv nutzen müssen. Bloßes Vertrauen oder mündliche Verbote reichen nicht.
Gerade in Haushalten, in denen Kinder mit digitalen Spielen und Apps aufwachsen, kann Nachlässigkeit schnell zu vier- oder fünfstelligen Schäden führen. Und: Rückforderungen gegen Plattformen haben laut Urteil kaum Erfolg, wenn der Elternteil selbst alle Kontrollmöglichkeiten ignoriert.
Juristische Einordnung
Das Gericht wendet klassische Prinzipien des deutschen Zivilrechts auf moderne digitale Plattformen an.
Besonders hervorzuheben sind:
- § 165 BGB: Auch beschränkt geschäftsfähige Personen (Kinder ab 7 Jahren) können rechtlich wirksame Erklärungen abgeben.
- Anscheinsvollmacht: Wer durch eigenes Verhalten den Eindruck einer Berechtigung vermittelt, haftet für die daraus entstehenden Geschäfte.
- Art. 6 Rom-I-VO: Das Gericht bestätigte die Anwendung deutschen Rechts, obwohl das Unternehmen seinen Sitz in Irland hat – da die Plattform auch auf den deutschen Markt ausgerichtet ist.
Damit setzt die Entscheidung Maßstäbe für künftige Streitfälle um digitale Käufe durch Kinder – besonders bei grenzüberschreitenden Plattformen wie App-Stores.
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