Urteil – Sperrung von Social-Media-Kanälen eines Influencers

Urteil – Sperrung von Social-Media-Kanälen eines Influencers

Der Verfügungskläger, ein Influencer, betreibt bei der Streaming- bzw. Video-Hosting-Plattform „XY“ mehrere Kanäle. Im November 2024 sperrte die Plattformbetreiberin drei seiner Kanäle erstmals mit der Begründung, „Verstoß gegen Spam, irreführende Praktiken und Betrug“. Anschließend sperrte sie im Januar 2025 drei weitere Kanäle des Klägers. Der Kläger beantragte beim Landgericht Schweinfurt im Wege der einstweiligen Verfügung, die Freischaltung dieser Kanäle sowie eine Unterlassung zukünftiger Sperrungen. Das Landgericht wies den Antrag mit Urteil v. 26.03.2025 (11 O 84/25 eV) ab. Daraufhin legte der Kläger Berufung beim OLG Bamberg ein.

Entscheidung des OLG Bamberg

Das OLG ändert das Urteil des LG Schweinfurt wie folgt:

  • Die Plattformbetreiberin wird verpflichtet, die drei im Januar 2025 gesperrten Kanäle (mit den angegebenen E-Mail-Verknüpfungen) bis zum 31.01.2027 freizuschalten und nicht erneut wegen derselben Gründe zu sperren.
  • Im Übrigen wird die Berufung des Verfügungsklägers zurückgewiesen.
  • Kostenverteilung: Kläger ¼, Beklagte ¾.

Entscheidungsgründe – ausgewählte Aspekte

Das OLG prüft zunächst, ob der Kläger einen Anspruch auf Freischaltung bzw. Unterlassung der Sperrung hat (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB). Es kommt zu dem Schluss, dass grundsätzlich ein Nutzungsvertrag zwischen den Parteien bestand und die Plattformbetreiberin nicht ohne ausreichende vertragliche Grundlage die Kanäle sperren durfte.
Entscheidendes Kriterium war hier die Frage, ob die Nutzung weiterer Kanäle nach einer initialen Sperrung eine „Umgehung“ im Vertrags- oder AGB-Sinn darstellt. Das Gericht verneint dies, da eine solche Umgehung ein voluntatives Element voraussetzt, welches hier nicht ausreichend nachgewiesen war.

Verfügungsgrund
Bezüglich des Verfügungsgrundes stellt das OLG fest, dass der Antrag als Leistungsverfügung anzusehen sei (Freischaltung der Kanäle), wofür eine dringende Bedürftigkeit erforderlich ist (§§ 935, 940 ZPO). Der Kläger trug glaubhaft vor, dass er mit den Kanälen Werbeeinnahmen erzielte und seine Mitarbeiter bezahlte; mit jeder weiteren Sperredauer gingen Reichweite bzw. Follower verloren. Damit sei der Verfügungsgrund gegeben.

Auslegung der Nutzungsbedingungen und Begriffsverständnis „Umgehung”
Die Nutzungsbedingungen der Plattformbetreiberin sahen vor, dass bei Verwarnung oder Sperrung eines Kanals die Nutzung anderer Kanäle zur Umgehung desselben untersagt sei. Das OLG führt aus, dass diese Klausel im Sinne des § 305c BGB auszulegen ist: Der Begriff „Umgehung“ setzt nach einer kundenfreundlichen Auslegung ein bewusstes Umgehen voraus. Die bloße Nutzung eines anderen Kanals genügt nicht automatisch.

Bedeutung und Ausblick

Das Urteil (28.07.2025, Az. 4 U 62/25 e.) ist bedeutsam, für Influencer und Plattformbetreiber: Es zeigt, dass Sperrungen von Accounts bzw. Kanälen nicht allein mit Hinweis auf AGB durchführbar sind, sondern ein konkreter, nachvollziehbarer Verstoß oder eine wirksame Vertragsgrundlage erforderlich ist. Auch die Voraussetzungen von Verfügungsgrund und Anspruch im einstweiligen Rechtsschutz – speziell bei digitalen Plattformverträgen – werden präzisiert.

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