
Der Enkeltrick gehört zu den bekanntesten Formen des Telefonbetrugs – und zugleich zu den perfidesten. Die Täter geben sich am Telefon als Enkel, Nichten, Neffen oder andere vertraute Familienmitglieder aus. Mit dramatischen und meist frei erfundenen Geschichten versuchen sie, ihre Opfer unter Druck zu setzen: Ein Unfall, eine angebliche Festnahme, ein finanzieller Engpass – immer geht es darum, sofort und ohne Nachdenken Geld zu übergeben.
Diese Betrugsmasche funktioniert, weil die Täter psychologische Mechanismen gezielt ausnutzen:
- Emotionale Nähe und Zeitdruck, die Menschen zu übereilten Entscheidungen verleiten
Der Enkeltrick ist jedoch nur eine von vielen Rollen, die Täter nutzen. Sie rufen als vermeintliche Polizisten, Staatsanwälte, Bankberater oder Anlageexperten an – stets mit der Absicht, Vertrauen vorzutäuschen und Menschen systematisch zu manipulieren. Die Folgen sind oft verheerend: Viele Opfer verlieren nicht nur ihr Erspartes, sondern erleben schwere psychische Belastungen, Scham oder anhaltende Angst vor weiteren Anrufen.
Operation Herakles: 3.500 Rufnummern stillgelegt
Die Bekämpfung solcher Betrugsformen wird zunehmend komplexer. Tätergruppen agieren international, nutzen moderne Technik und setzen professionell organisierte Strukturen ein. Genau hier setzt die Operation Herakles an – eine gemeinsame Initiative des Cybercrime-Zentrums der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe (CCZ), des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA) und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Im Mittelpunkt der jetzt öffentlich gewordenen Maßnahmen steht ein bemerkenswerter Erfolg:
Bis zum 5. Dezember 2025 konnten insgesamt 3562 überwiegend deutsche Rufnummern identifiziert und deaktiviert werden, über die wahrscheinlich Betrugsanrufe geführt wurden. Darunter waren Festnetz-, Mobilfunk- und VoIP-Nummern, die mutmaßliche Täter für verschiedenste Delikte einsetzten – vom klassischen Enkeltrick über falsche Polizeibeamte bis hin zu Cybertrading-Betrug.
Die Aktion hatte jedoch nicht nur nationale, sondern auch internationale Dimensionen: 355 österreichische Festnetznummern wurden in enger Kooperation mit dem Österreichischen Bundeskriminalamt ebenfalls abgeschaltet. Die Ermittler gehen davon aus, dass diese Rufnummern Teil desselben Täternetzwerks waren.
Crime-as-a-Service: Wie Betrüger technische Strukturen mieten
Ein zentrales Ergebnis der Operation ist die Erkenntnis, dass viele Rufnummern nicht zufällig, sondern professionell bereitgestellt wurden. In der Szene existieren Dienstleister, die Telekommunikationsleistungen als „Crime-as-a-Service“ anbieten. Diese Firmen oder Einzelpersonen vermieten Nummernblöcke oder digitale Telefonie-Zugänge gezielt an internationale Betrugsnetzwerke – anonym, massenhaft und teilweise automatisiert.
Für die Täter hat das klare Vorteile:
Sie müssen ihre Spuren nicht mehr selbst verwischen, sondern mieten fertige Strukturen, die häufig über Ländergrenzen hinweg betrieben werden. Für Ermittler bedeutet das hingegen eine enorme Herausforderung, da technische Spuren oft verschleiert und Verantwortlichkeiten schwer nachvollziehbar sind.
Umso bedeutsamer ist es, dass die BaFin in diesem Fall entscheidende Hinweise auf verdächtige Nummern und Telekommunikationsdienstleister liefern konnte. Ihre Erkenntnisse trugen maßgeblich dazu bei, die Infrastruktur zu identifizieren und von den jeweiligen Providern abschalten zu lassen.
„Wir entziehen ihnen die Grundlage“: Behörden setzen auf Störung statt Reaktion
Die leitenden Behörden betonen, dass die Operation Herakles einen strategischen Wandel markiert. Statt nur auf Betrugsfälle zu reagieren, setzen die Ermittler verstärkt auf Infrastrukturzerstörung – also darauf, Täternetze präventiv zu schwächen.
Generalstaatsanwalt Jürgen Gremmelmaier erklärt, man wolle Cyberkriminelle nicht nur verfolgen, sondern ihnen aktiv die Werkzeuge entziehen. Jede abgeschaltete Rufnummer stehe für potenziell hunderte oder tausende Anrufe, die nun nicht mehr erfolgen könnten.
Auch LKA-Präsident Andreas Stenger unterstreicht, dass dieses Vorgehen für die Täter erheblichen organisatorischen Aufwand verursache. Neue Nummern müssten beschafft, Systeme neu konfiguriert und Kommunikationswege reorganisiert werden – alles Prozesse, die Zeit und Geld kosten. Stenger formuliert das Ziel klar: Deutschland soll ein „schwieriges Terrain“ für Anbieter illegaler Telekommunikationsinfrastruktur werden.
Birgit Rodolphe, Exekutivdirektorin der BaFin, weist zudem auf das enorme Ausmaß von Online-Handelsplattform-Betrug hin. Die arbeitsteilige Struktur der Betrüger sei hochprofessionell, aber die aktuellen Erfolge zeigten, dass sich Kriminalität auch durch technische Maßnahmen wie das Abschalten von Rufnummern wirksam bekämpfen lasse.
Nachhaltige Schwächung der Täterstrukturen
Die Operation Herakles ist kein Einzelfall, sondern Teil einer langfristigen Strategie. Bereits im Juni und Oktober 2025 war es gelungen, über 2200 betrugsrelevante Domains vom Netz zu nehmen, die für Cybertrading-Betrug genutzt wurden. Mit der nun erfolgten Abschaltung tausender Rufnummern treffen die Ermittler die Tätergruppen erneut an zentraler Stelle.
Diese Maßnahmen zielen darauf ab, Deutschland für Kriminelle zunehmend unattraktiv und unwirtschaftlich zu machen. Je höher der technische, finanzielle und organisatorische Aufwand wird, desto schwerer lassen sich Betrugsaktivitäten in großem Stil betreiben.
Das Cybercrime-Zentrum, das LKA und die BaFin kündigen an, ihr konsequentes Vorgehen fortzusetzen. Weitere technische, organisatorische und internationale Schritte sollen folgen, um Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu schützen – nicht nur vor Enkeltrick und falschen Polizeibeamten, sondern auch vor modernen Formen des Online-Anlagebetrugs.
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