
Der Zugang zu pornografischen Inhalten im Internet ist bereits seit Jahren im Fokus von Gerichten und Politik. Im Zentrum steht der Schutz von Jugendlichen und Kindern. Dabei kommt immer wieder die Frage auf, wie weit staatliche Eingriffe in den digitalen Raum gehen dürfen. Ein aktueller Rechtsstreit um Porno-Websites zeigt, wie komplex das Thema ist.
Was steckt hinter dem aktuellen Rechtsstreit?
Die Porno-Websites eines Anbieters mit Sitz in Zypern und die Landesanstalt für Medien NRW stehen sich gegenüber. Der Rechtsstreit begann mit dem Versuch der Landesanstalt für Medien NRW, zwei große Internetzugangsanbieter (Access-Provider) dazu zu verpflichten, den Zugriff auf bestimmte Porno-Plattformen zu sperren. Die betroffenen Seiten waren ohne Altersverifizierung und damit auch für Kinder und Jugendliche frei zugänglich. Schon vor mehr als fünf Jahren untersagte die Landesanstalt für Medien NRW dem betroffenen Anbieter per Verfügung, seine pornografischen Inhalte weiter zu verbreiten, solange keine wirksamen Maßnahmen zum Schutz Minderjähriger eingeführt würden. Grundlage für diese Aufforderung war, eine vorherige Prüfung der Kommission für Jugendmedienschutz, kurz KJM. Hierbei wurden deutliche Verstöße gegen den Jugendschutzmedien-Staatsvertrag (JMStV) festgestellt. Die betroffenen Porno-Plattformen zählen zu den reichweitenstärksten im Internet. Die Betreiber klagten gegen die Untersagung der Landesanstalt für Medien NRW. Dies blieb ohne Erfolg, denn das zuständige Verwaltungsgericht Düsseldorf bestätigte damals die Rechtsauffassung der Landesanstalt für Medien und der KJM. Vonseiten der Betreiber wurde die gerichtliche Entscheidung aber einfach ignoriert und die Seiten wurden ohne Altersverifizierung weiterbetrieben.
Wie ist der aktuelle Stand?
Zunächst schien der rechtliche Rahmen in Deutschland eindeutig zu sein. Denn pornografische Inhalte dürfen Kindern und Jugendlichen nicht frei zugänglich gemacht werden. Denn im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag heißt es:
„Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortung sind Angebote unzulässig, wenn sie kinderpornografisch […] oder jugendpornografisch […] oder pornografisch sind und Gewalttätigkeiten oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen […]“ §4 Absatz 1 Satz 10 JMStV.
Im Jahr 2022 folgte dann ein weiteres Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, das deutlich machte, dass das deutsche Jugendmedienschutzrecht auch für Anbieter mit Sitz in anderen EU-Staaten, in diesem Fall Zypern, gilt. Darauf reagierten die Betreiber der Plattform mit Eilanträgen und Klagen gegen Zwangsgeldandrohungen und die ursprüngliche Untersagungsverfügung. Sie beriefen sich dabei zunehmend auf neue rechtliche Entwicklungen im europäischen Kontext. Vor wenigen Tagen, am 19. November 2025, kam es jetzt zu einer neuen Wendung in dem Rechtsstreit. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied (Aktenzeichen: 27 L 805/24, 27 L 806/24, 27 L 1347/24, 27 L 1348/24, 27 L 1349/24 und 27 L 1350/24), dass zwei Access-Provider vorerst nicht verpflichtet werden können, die entsprechenden Webseiten zu sperren. Das Gericht begründete dies damit, dass die deutschen Regelungen zum Sperrzwang nicht mehr ohne Weiteres mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar seien. Ein genereller Zwang für Provider, Inhalte aus anderen EU-Staaten zu blockieren, sei daher im Moment nicht zulässig. Zugleich betonte das Gericht allerdings, dass die Untersagungsverfügungen gegen den Anbieter selbst weiterhin vollziehbar bleiben. Konkret heißt das, dass der Betreiber seine Seiten mit pornografischen Inhalten in Deutschland nicht weiterhin ohne Altersverifizierung betreiben darf. Das Verfahren ist insgesamt noch nicht abgeschlossen.
Warum stößt das deutsche Jugendschutzrecht an EU-Grenzen?
Der Kern des Problems ist das sogenannte Herkunftslandprinzip im Recht der Europäischen Union. Digitale Dienste sollen innerhalb des EU-Binnenmarktes grundsätzlich frei angeboten werden können. Einschränkungen sind zwar möglich, aber nur unter sehr engen Voraussetzungen. Nach jüngster Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verstoßen genau jene Vorschriften des deutschen Jugendschutzmedien-Staatsertrages, auf denen Sperrverfügungen gegen Provider beruhen, gegen das vorrangige EU-Recht. Die Voraussetzungen werden von den derzeitigen deutschen Regelungen im Jugendmedienschutz offenbar nicht mehr vollständig erfüllt. Das führt zu einem Dilemma, da auf der einen Seite ein gesetzlicher Auftrag zum Schutz von Minderjährigen besteht, andererseits die nationalen Maßnahmen hierfür an die Grenzen des europäischen Rechts stoßen. Dennoch betont der Direktor der Landesmedienanstalt für Medien NRW, Dr. Tobias Schmid:
„Das Verwaltungsgericht bestätigt mit dieser Entscheidung, dass der Jugendmedienschutz auch im Internet konsequent anzuwenden ist.“
Die jüngste Entscheidung betrifft damit vorwiegend die Verantwortung und Rolle der Provider, nicht aber die Pflicht der Anbieter selbst, Kinder und Jugendliche zu schützen.
Warum sind Porno-Websites eine Gefahr für Minderjährige?
Kinder und Jugendliche kommen heute früher denn je mit pornografischen Inhalten in Berührung. Studien zeigen, dass es dabei kaum Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen gibt. Besonders problematisch ist, dass der Erstkontakt häufig ungewollt stattfindet. Eine Studie aus dem Jahr 2023, bei der 11- bis 17-Jährige befragt wurden, liefert folgende erschreckende Ergebnisse:
- 35 % haben bereits einen Porno gesehen
à ein Viertel davon unfreiwillig - Nur 33 % bewerten die gesehenen Inhalte als unrealistisch
- 21 % haben bereits selbst gesextet
- 37 % derjenigen, die bereits Sexting betrieben haben, taten dies ohne vorherige Zustimmung der anderen Person
- 29 % haben intime Inhalte oder Nacktbilder anderer weitergeleitet
Die Befragung zeigt jedoch auch Bereiche, in denen es geschlechtsspezifische Unterschiede gibt:
- 46 % der Jungen, die selbst Sexting-Nachrichten verschickt haben, kennen die verwendeten Begriffe aus Pornos (Mädchen: 17 %)
- 67 % der Jungen betrieben Sexting, ohne vorherige Zustimmung (Mädchen: 11 %)
Vor diesem Hintergrund warnt Dr. Schmid eindringlich:
„Wie sollen Kinder und Jugendliche ein Verständnis für die gesetzlichen Grenzen von `sexueller Kommunikation` im Netz […] entwickeln können, wenn sie bereits mit 14 regelmäßig und ungewollt mit stärksten Formen der Pornografie konfrontiert werden? Die Studie macht einmal mehr deutlich, dass das Durchsetzen der gesetzlichen Jugendmedienschutz-Standards vor allem zum Schutz von Kindern gar nicht hoch genug bewertet werden kann.“
Welche Maßnahmen gibt es bereits?
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der seit dem 1. Januar 2011 gilt, bildet die zentrale Rechtsgrundlage für den Schutz junger Menschen in Internet, Fernsehen und Hörfunk. Er verbietet eindeutig bestimmte Inhalte und verpflichtet Anbieter zu technischen Schutzmaßnahmen. Kinder und Jugendliche sollen hierdurch vor Inhalten geschützt werden, die sie in ihrer Erziehung oder Entwicklung beeinträchtigen oder sogar gefährden können. Durch die oberste Landesjugendbehörde wurde eine gemeinsame Stelle für den Jugendschutz aller Länder eingerichtet: jugendschutz.net. In der Praxis bleibt die Durchsetzung allerdings oft schwierig. Denn Altersverifikationssysteme sind zwar gesetzlich vorgeschrieben, werden aber nicht überall umgesetzt. Neben rechtlichen Maßnahmen, gewinnt daher auch die Aufklärung immer stärker an Bedeutung. Kampagnen wie der „Safer Internet Day“, der im vergangenen Jahr ganz unter dem Motto „Let´s talk about Porno“ stand, sollen Kinder, Jugendliche und Eltern sensibilisieren.
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