Geschichte der Telefonzelle in Deutschland: Vom Symbol der Moderne zum Relikt der Vergangenheit

Geschichte: Telefonzellen in Deutschland
Münzfernsprecher ca. 1980

Die Telefonzelle, einst ein Symbol technischer Innovation und ein unverzichtbares Element des öffentlichen Lebens, hat eine bemerkenswerte Geschichte in Deutschland. Was einst als revolutionäres Kommunikationsmittel, umgangssprachlich als Telefonhäuschen begann, ist heute nahezu vollständig aus dem Stadtbild verschwunden.

Die Anfänge: Der erste Münzfernsprecher

Im Jahr 1881 wurde in Berlin der erste Münzfernsprecher aufgestellt, ein Vorreiter der Telefonzellen. Dieser war jedoch noch weit von der Selbstbedienung entfernt: Ein Vermittler musste das Gespräch verbinden, und die Nutzung war auf einige wenige öffentliche Gebäude beschränkt. Die ersten öffentlichen Telefonzellen, wie wir sie kennen, tauchten erst 1928 in Berlin auf. Sie waren mit einer Münzslot-Technologie ausgestattet, die eine einfache und direkte Nutzung ermöglichte.

Der Boom der Telefonzellen

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten Telefonzellen einen enormen Aufschwung. Ab 1946 waren sie alle gelb. In den 1950er und 60er Jahren wurden sie zu einem Symbol für den Fortschritt und die Modernität. Mit ihrer auffälligen post-gelben Farbe auf einer Grundfläche von etwa einem Quadratmeter wurde sie zu einem prägenden Bestandteil des deutschen Stadtbilds. Die Post, damals verantwortlich und einziger Anbieter für das Fernmeldewesen, installierte Tausende von Telefonzellen über das gesamte Land, um die wachsende Nachfrage nach Telekommunikation zu bedienen. In jedem Dorf gab es einen Münzfernsprecher, in Städten standen häufig mehrere Zellen nebeneinander. Besonders in den günstigeren Abendstunden war oftmals vor dem Telefonhäuschen „Schlangestehen“ angesagt.

Telefonkosten in den Telefonzellen

Öffentlicher FernsprecherZu Zeiten der Deutschen Mark in den 90er-Jahren konnten in Telefonzellen Münzen im Wert von 10 Pfennig, 50 Pfennig oder 1 D-Mark eingeworfen werden, um Telefongespräche zu führen. Sowohl Ortsgespräche, Ferngespräche als auch internationale Anrufe waren möglich. Die Kosten für Gespräche variierten stark: Tagsüber war die Hauptzeit am teuersten, während ab 18 Uhr und an Wochenenden der deutlich günstigere Nebenzeittarif galt. Beispielsweise kostete ein vierminütiges Ortsgespräch am Abend 20 Pfennig, während in der Hauptzeit ein dreiminütiges Gespräch mit 40 Pfennig zu Buche schlug. Ein zweiminütiges Ferngespräch während der Hauptzeit konnte sogar 1,80 DM kosten, weshalb Nutzer oft eine erhebliche Menge Münzgeld dabeihaben mussten. Häufiger Ärger war zudem vorprogrammiert, wenn beschädigte Münzen von den Automaten nicht akzeptiert wurden.

Die Telefonzellen wurden im Laufe der Zeit immer moderner. In den 1980er Jahren ersetzten Karten-Telefone zunehmend die klassischen Münzfernsprecher. Diese Umstellung erleichterte die Nutzung und reduzierte Wartungsprobleme durch die Manipulation von Münzschächten. Zudem boten viele Telefonzellen ab den 1990er Jahren zusätzliche Dienstleistungen wie Fax- oder Internetzugänge an.
In dieser Zeit verschwanden die bisher bekannten gelben Zellen. Die moderneren Telefonzellen wurden dem Unternehmensdesign der Telekom angepasst, weiß, grau, magenta.

Der Niedergang der Telefonzelle

Öffentliches Kartentelefon
Öffentliches Basistelefon

Mit dem wachsenden Aufkommen der Mobiltelefone in den 1990er Jahren begann der langsame Niedergang der Telefonzelle. Die Verbreitung von Handys machte den Gang zur nächsten Telefonzelle immer weniger notwendig. Im Jahr 2000 gab es in Deutschland noch über 160.000 öffentliche Telefone. Bis 2021 war diese Zahl auf wenige Tausend geschrumpft. 2006 wurden Münzfernsprecher durch Basistelefone ersetzt (siehe Bild). Selbst an früher stark frequentierten Orten wie Bahnhöfen und Flughäfen sank die Nachfrage. Die Deutsche Telekom, die nach der Privatisierung der Post die Verantwortung übernahm, stellte viele Telefonzellen außer Betrieb. Am 21. November 2022 wurde per Fernwartung die Münzannahme deaktiviert, noch bis Ende Januar 2023 konnten noch Telefonkarten benutzt werden, dann war endgültig das Ende erreicht.

Nostalgie und Wiederverwendung

Heute sind die klassischen gelben Telefonzellen ein nostalgisches Symbol der Vergangenheit. Einige von ihnen wurden kreativ umfunktioniert: als Mini-Bibliotheken, Kunstobjekte oder Ladestationen für Elektroautos. Dennoch bleibt die Telefonzelle ein faszinierendes Kapitel in der Geschichte der Telekommunikation und ein Spiegelbild des technologischen Fortschritts.

Alte gelbe Telefonzelle
Alte gelbe Telefonzelle, die in Hannover als Bücherschrank genutzt wird

Abschied als YouTube-Video

Die Hessenschau auf H3 verabschiedet im folgenden Video die letzten Telefonzellen in Hessen mit eigenen Erinnerungen.

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