Doppelurteil des BGH – Scheingebote und Abbruchjäger auf eBay

Doppelurteil des BGH - Scheingebote und Abbruchjäger auf eBay

Immer wieder beschäftigen sich die Gerichte mit Auktionen auf eBay. Neben vielen anderen Klagen häuften sich in den letzten Jahren insbesondere Schadensersatzforderungen von Bietern, die zu einem extrem niedrigen Preis die Auktion gewonnen oder bei Auktionsabbruch Höchstbieter waren, aber die Ware jeweils nicht erhalten haben. Ebenfalls gab es vermehrt Klagen gegen Anbieter, die über mehrere Accounts selbst Gebote abgegeben und damit den Preis für den späteren eigentlichen Auktionsgewinner nach oben getrieben haben. Am 24. August 2016 hat der Bundesgerichtshof zwei höchstrichterliche Urteile (VIII ZR 100/15 und VIII ZR 182/15) zu solchen Scheingeboten sowie Schadensersatzforderungen wegen ausstehender Lieferungen gefällt.

Fall 1: Schadensersatz nach Hochbieten über mehrere Accounts bei eBay

Der Kläger hatte ein Gebot für einen Pkw von 1,50 Euro abgegeben. Im Zuge der Auktion überbot immer wieder ausschließlich der Anbieter mit einem anderen Account den Preis, sodass der Verkaufspreis am Ende 17.000 Euro betrug. Der Käufer erhielt aber das Auto nicht, da dieses vom Anbieter zwischenzeitlich anderweitig veräußert wurde. Der Auktionsgewinner klagte daraufhin auf Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem eigentlich gültigen Erstgebot von 1,50 und dem Auktionspreis von 17.000 Euro, da er das Auto selbst hätte verkaufen können. Ihm entging also ein Gewinn. In erster Instanz bekam er Recht, in zweiter nicht. Der Bundesgerichtshof hob das Berufungsurteil nun auf.

Die Richter begründeten die Entscheidung im Wesentlichen mit dem Fehlen weiterer Gebote. Damit sei ein Abschluss nach §§ 145 ff. BGB (Vertragsabschluss durch Angebot und Annahme) und nicht nach § 156 BGB (Versteigerung) gegeben. Somit gab es nur einen Kaufinteressierten, der den Pkw jedoch zu seinem – einzig regulären – anfänglichen Gebot von 1,50 Euro gekauft hätte. Dieser niedrige Preis bedeute laut Richter keinen sittenwidrigen Vertragsabschluss, sondern entspreche dem Ergebnis des besonderen Reizes einer Schnäppchenjagd auf Auktionsplattformen. Damit gilt das erstinstanzliche Urteil, nachdem der Höchstbietende durch den Verkauf des Pkw einen finanziellen Schaden erlitten habe, der auszugleichen sei.

Fall 2: Schnäppchenjäger handelt vermutlich rechtsmissbräuchlich

In einem zweiten ähnlichen Fall ging es um ein Motorrad. Hier lag der Fall etwas anders, da der Bieter das Startgebot von einem Euro abgab der Verkäufer jedoch bei diesem Stand die Auktion wegen falscher Angaben abbrach und neu startete. Ein halbes Jahr später forderte dieser Höchstbieter das Motorrad für einen Euro. Da dieses verkauft war, machte er einen Schadensersatz in Höhe der Differenz von Marktwert und Gebot geltend.

Die Klägerin war ein Unternehmen, das dem Bieter – ein Sohn des Verwalters – den Account in Auftrag gegeben hatte. Bei Klage trat die Klägerin an diesen die Schadensersatzansprüche unentgeltlich ab. Die erste Instanz folgte der Klage. Im Berufungsprozess sah das Gericht die Forderung der Klägerin trotz Abtretung durch die sogenannte gewillkürte Prozessstandschaft ebenfalls als berechtigt an, hielt die Schadensersatzforderung aber für rechtsmissbräuchlich. Denn der Bieter habe als Abbruchjäger auf einen Auktionsabbruch gewartet, um Schadensersatz fordern zu können. Er gab allein im Sommer 2011 über mehrere Accounts Gebote für rund 215.000 Euro ab. Viermal reichte er demnach anschließend Klage ein. Im verhandelten Fall forderte er zudem das Motorrad erst nach sechs Monaten ein.

Der Bundesgerichtshof entschied anders. Er wies die Klage des Unternehmens ab. Dieses hatte nach Ansicht des BGH keine Prozessführungsbefugnis. Denn dieses setze ein eigenes schutzwürdiges Interesse voraus, das nach Ansicht der Richter fehle.

Zwar urteilten die Richter damit in der Sache nicht. Sie ließen jedoch erkennen, dass sie am Berufungsurteil keine Rechtsfehler erkennen könnten. Demnach wären sie vermutlich der Auffassung einer rechtsmissbräuchlichen Schadensersatzforderung gefolgt. Das bedeutet für Abbruchjäger, dass sie vor Gericht zukünftig einen schweren Stand haben werden.

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