Insolvenzalarm 2023 – Anzahl der Regelinsolvenzen deutlich gestiegen

Anzahl der Regelinsolvenzen 2023 deutlich gestiegen

Im Juni 2023 gab das Statistische Bundesamt in Wiesbaden in einer Pressemitteilung bekannt, dass die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen sind. Rund 14,4 % mehr Betriebe mussten Regelinsolvenz anmelden. Dementgegen steht eine leicht gesunkene Zahl der Verbraucherinsolvenzen, hier waren 5,1 % weniger Verfahren zu verzeichnen. Was bedeutet das für die allgemeine Marktwirtschaft und welche Unterschiede gibt es zwischen privater und gewerblicher Insolvenz?

Private vs. gewerbliche Insolvenz – die Zahlen sinken und steigen

Die klassische Verbraucherinsolvenz ähnelt vom Verfahrensablauf der Regelinsolvenz, wurde aber vereinfacht. Das Ziel besteht darin, die Schuldenfalle für Privatpersonen zu beenden und am Ende eine Restschuldbefreiung zu erzielen. Es gibt einige Voraussetzungen, die Privatpersonen vor der Inanspruchnahme erfüllen müssen. Der größte Unterschied zwischen den beiden Insolvenzarten besteht darin, dass die Privatinsolvenz freiwillig ist, während die Regelinsolvenz als Unternehmenspflicht gesehen wird.

Schafft es ein Unternehmen innerhalb von drei Wochen nicht, seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern einzulösen, ist es verpflichtet, Insolvenz anzumelden. Wie die beiden Verfahren laufen, wird weiter unten noch einmal genauer erläutert.

Die Zunahme der Firmeninsolvenzen in Deutschland ist erschreckend, denn sie sagt viel über die wirtschaftliche Gesundheit des Landes aus. War die Zahl bereits im April 2023 auf 14,4 % mehr Insolvenzverfahren gestiegen, zeigten sich die Zahlen im Juli noch besorgniserregender. Insgesamt wurden 23,8 % mehr Verfahren beantragt als im Juli 2022. Die größten wirtschaftlichen Verluste entfallen auf die Verkehrs- und Lagerdienstleistungen, hier wurden mit durchschnittlich 8,7 Fällen die meisten Insolvenzen angemeldet. Zeitarbeitsfirmen hielten sich mit rund 7,4 Fällen ebenfalls auf den oberen Rängen, wohingegen Energieversorger fast nie von der Insolvenz betroffen waren. Der schwunghafte Anstieg ist laut Expertenmeinungen auch darin zu sehen, dass die Pflicht auf Insolvenzanträge während der Krisenmonate in der Corona-Zeit ausgesetzt war. Der rapide Anstieg kommt also nicht ganz überraschend, sondern ist eine Folge der staatlichen Hilfen und Möglichkeiten in den letzten Jahren.

Privatpersonen seltener pleite – der Rückgang von Verbraucherinsolvenzen

Verschuldungen sind in deutschen Privathaushalten keine Seltenheit. Das Unternehmen Schufa überwacht dabei, wer als „kreditwürdig“ gilt und wer nicht. Mittlerweile steht die Wirtschaftsauskunftei unter enormem Druck, ihre Existenz ist aber nicht unnötig. Durch Schufakontrollen können sich Unternehmen vor Verlustgeschäften schützen. Viele Schuldner bestellen weiterhin oder verschulden sich stark, obwohl sie längst ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Ist der Kreislauf erst einmal aktiviert, braucht es Disziplin und Hilfe, um aus der Schuldenkrise herauszufinden. Die aktuellen Nachrichten klingen positiv, denn der Anteil an Verbraucherinsolvenzen ist gesunken. Das liegt einerseits an einer stabilen Beschäftigungslage und mehr verfügbaren Arbeitsplätzen, andererseits aber auch an der Sensibilisierung für den Umgang mit Geld. Im Jahr 2015 meldeten rund 79.000 Menschen in Deutschland Privatinsolvenz an, der Anteil bei den Menschen unter 30 Jahren stieg deutlich.

Oft waren Themen wie unkontrollierter Konsum, aber auch Lockangebote dafür verantwortlich, dass sich Menschen verschuldeten. Konsumkredite, Angebote wie „Buy now, pay later“ tragen dazu bei, Wünsche zu erfüllen, ohne das Geld für die Bezahlung zu haben. Wenn die Rechnungen überhandnehmen und irgendwann nicht mehr gelesen werden, ist die Privatinsolvenz oft der letzte Ausweg.

Der Prozess läuft in vier Schritten ab, die sich wie folgt gliedern:

Außergerichtliches Bereinigungsverfahren mit den Gläubigern:

In einem ersten Schritt muss der Schuldner versuchen, mit außergerichtlichen Einigungen die Schuldlast zu senken und mithilfe von Vergleichen eine mögliche Abwendung der Insolvenz zu erzielen. Viele Gläubiger lassen sich auf Einigungsversuche ein, da sie im Falle einer Privatinsolvenz selten bedient werden. Der Schuldner erstellt zum Zwecke der Einigung einen Schuldenbereinigungsplan, mit dem er strukturiert auflistet, wie er seinen Verbindlichkeiten nachkommen kann und will. Sofern sich alle Gläubiger einverstanden erklären, wird der Schuldenbereinigungsplan umgesetzt und abgearbeitet. Bereits eine Gegenstimme reicht aus, um das Verfahren als gescheitert zu erklären.

Das Schuldenbereinigungsverfahren als zweiter Schritt:

Zum zweiten Schritt kommt es erst, wenn der außergerichtliche Versuch einer Einigung gescheitert ist. Jetzt hat der Schuldner das Recht, bei Gericht die Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens zu beantragen. Es ist erforderlich, dass ein offiziell anerkannter Schuldnerberater oder ein Anwalt das Scheitern des außergerichtlichen Verfahrens schriftlich bestätigt. Das Gericht prüft, ob es laut eigenem Ermessen noch die Möglichkeit zu einem zweiten Einigungsversuch gibt. Davon wird regelmäßig nicht ausgegangen, sodass die Verbraucherinsolvenz eröffnet wird.

Der Ablauf des gerichtlichen Insolvenzverfahrens:

Als erster Schritt des Gerichts wird überprüft, ob der Schuldner in der Lage ist, die Verfahrenskosten zu tragen. Reicht die Insolvenzmasse (vorhandenes Vermögen) hierfür nicht aus, kann die Stundung der Kosten beantragt werden. Über den Schuldnerberater erhält der Schuldner sämtliche Unterlagen, die für die Eröffnung des Verfahrens erforderlich sind. Beizufügen sind neben den ausgefüllten Anträgen folgende Dokumente:

  • Schuldenbereinigungsplan und Bescheinigung über gescheiterte außergerichtliche Einigung.
  • Komplette Vermögensaufstellung des Schuldners
  • Liste aller Gläubiger mit ausstehenden Kosten
  • Ausgefüllter Antrag zur Restschuldbefreiung

Nachdem der Antrag bei Gericht eingegangen ist, wird die offizielle Privatinsolvenz eröffnet. Über die Vermögensmasse verwaltet künftig ein Treuhändler, der sich um die Rückzahlung ausstehender Rechnungen an die Gläubiger kümmert. Offenstehende Forderungen müssen explizit angemeldet werden, sonst kann eine Berücksichtigung bei der Verteilung nicht erfolgen. Nachdem die gesamte Insolvenzmasse verteilt wurde, wird das Verfahren gerichtlich aufgehoben und beendet.

Rückzahlungen während der Wohlverhaltensperiode:

Hat der Schuldner kein Geld, werden die Gläubiger während des Insolvenzverfahrens nicht bedient. Ebendarum schließt sich eine Wohlverhaltensperiode an, die im Schnitt in Deutschland sechs Jahre andauernd. Es ist möglich, diesen Zeitraum auf drei Jahre zu reduzieren, wenn der Schuldner während dieser Zeit mindestens 35 % seiner Schulden vollständig tilgen kann. Wurden die Verfahrenskosten vom Schuldner gezahlt, reduziert sich die Wohlverhaltensperiode auf insgesamt fünf Jahre.

Während der gesamten Zeit steht das Vermögen des Schuldners unter der Aufsicht des Treuhänders. Einkommen, das den pfändbaren Teil überschreitet, muss an die Gläubiger ausgekehrt werden. Diese Auszahlung erfolgt einmal jährlich. Der Schuldner ist während der gesamten Wohlverhaltensperiode verpflichtet zu arbeiten oder aktiv nach einer Erwerbstätigkeit zu suchen. Sämtliche Veränderungen der Vermögensverhältnisse müssen im gesamten Zeitraum ungefragt offengelegt werden. Ist die Wohlverhaltensperiode erfolgreich abgeschlossen, erklärt das Gericht die Restschuldbefreiung und der Schuldner startet neu durch in ein schuldenfreies Leben.

Schulden in Deutschland auch 2023 noch auf einem hohen Niveau

Trotz sinkender Privatinsolvenzen sind die Haushalte in Deutschland noch immer hoch verschuldet. Der Durchschnittswert wird mit 21.766 Euro pro Kopf beziffert, insbesondere Personen aus Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen sind betroffen. Geringer fällt die Schuldenlast in den neuen Bundesländern aus, Sachsen-Anhalt und Sachsen haben weniger Schulden pro Kopf zu verzeichnen.

Experten erklären, dass die hohen Schulden in Hamburg und Hessen damit zusammenhängen, dass in den Bundesländern ein durchschnittlich höheres Einkommensniveau zu verzeichnen ist. Menschen, die ein solides Einkommen haben, können auch höhere Kredite aufnehmen. Schulden zu haben, bedeutet nicht, dass die Rückzahlung nicht gesichert ist. Die Gesamtschulden pro Kopf beinhalten auch laufende Kredite, die regulär zurückgezahlt werden.

Für die ostdeutlichen Bundesländer zeigt sich eine geringe Verschuldung, parallel dazu aber auch ein geringes Durchschnittseinkommen. So lässt sich aus den Zahlen nicht schließen, dass in Hamburg und Hessen ein sorgloserer Umgang mit Geld herrscht. Tatsächlich ist es den Bundesländern mit schwächeren Einkommen weniger oft möglich, Kredite aufzunehmen und Schulden zu verursachen.

Sehr bedächtig gehen Menschen in Baden-Württemberg und Bayern vor, wenn es um Kreditaufnahmen geht. Verglichen mit Brandenburg, dem Land mit der durchschnittlichen Kreditaufnahme um 20 %, sind vor allem die Bayern sehr sparsam und leihen nicht gerne Geld. Nicht selten bleibt es nicht bei einem laufenden Kredit, insbesondere mit Blick auf die Küstenregionen. Statistisch gesehen haben Bürger, die zwischen Ost- und Nordsee leben, bei der Antragstellung auf einen Kredit häufiger bereits laufende Verpflichtungen. Gemessen an der sinkenden Anzahl der Privatinsolvenzen zeigt sich aber auch, dass die Deutschen ihren Verpflichtungen wieder besser nachkommen können.

Ein spannender Rückblick auf 2020 zeigt, dass die Durchschnittsverschuldung in Deutschland angestiegen ist. Vor drei Jahren waren es noch 21.719 Euro pro Person. Gleich geblieben ist die höchste Verschuldung in Hamburg, allerdings waren die Hessen damals nicht so dominant wie heute.
< h2>Prognose: Regelinsolvenzen werden auch 2024 noch weiter ansteigen

Mit ihrer Prognose, dass die Zahl der Insolvenzen um 15 % ansteigen würde, lag die Allianz Versicherungsgesellschaft für das Jahr 2023 nicht falsch. Mit Ausblick auf das Jahr 2024 sind sich die Finanzexperten sicher, dass es zu weiteren Anstiegen kommen wird. Rund 6 % Zuwachs an Regelinsolvenzen wird erwartet. Das klingt zwar viel, im europäischen Vergleich steht Deutschland aber auf einer soliden Position.

Nicht nur in Europa, sondern global wuchs die Zahl der Pleiten und Insolvenzen im Jahr 2023 deutlich an. Schuld daran ist die anhaltend schlechte Wirtschaftslage, die durch Extremfaktoren wie die Pandemie und den Krieg Russlands gegen die Ukraine beeinflusst wird.

Fazit: Privatinsolvenzen nehmen ab, Unternehmenspleiten steigen

Aus den aktuellen Zahlen geht hervor, dass die Anzahl der Privatschuldner zwar steigt, es aber weniger Insolvenzanträge zu bearbeiten gibt. Trotz Krisen und Jobverlusten zeigen die Deutschen, dass sie es mit der Zahlungsmoral ernst meinen. Starke Auswirkungen der letzten Jahre zeigen sich bei Unternehmen. Spätestens mit dem Wegfall der Coronahilfen gibt es für viele Betriebe keine Chance mehr, die Schuldenfalle zu umgehen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Situation im Jahr 2025 normalisiert oder ob die Pleitewelle langfristig anhält.

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