Einfluss von Schufa-Score – Größte Auskunftei Deutschlands unter Druck

Einfluss von Schufa-Score – größte Auskunftei Deutschlands unter Druck

Es scheint, als wäre die größte Wirtschaftsauskunftei Deutschlands – die Schufa – gerade sehr nervös. Denn in einem aktuellen EuGH-Verfahren soll die Frage geklärt werden, wie wichtig der automatisch errechnete Schufa-Score für die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern sein darf. Mit einem Schreiben an die Geschäftskunden will die Auskunftei jetzt zeigen, dass sie ja eigentlich gar nicht so wichtig ist.

Warum steht die Schufa aktuell unter Druck?

Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg könnte je nach Ausgang enorme Auswirkungen auf die Bedeutsamkeit des Schufa-Scores beim Abschluss von Verträgen oder Kreditwürdigkeit haben. Das bisherige Vorgehen könnte gemäß Artikel 22 Absatz 1 DSGVO rechtswidrig sein:

„Die betroffene Person hat das Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung […] beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt.“

Genau das passiert allerdings aktuell anhand des sogenannten Schufa-Scores. Der Score sagt Unternehmen voraus, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kunde finanzielle Verpflichtungen auch tatsächlich erfüllen kann. Dies hat enorme Auswirkungen, wenn etwa ein Handyvertrag abgeschlossen, in einem Onlineshop eingekauft oder ein Kredit beantragt wird. Wer einen niedrigen Wert aufweist, ist von zahlreichen Möglichkeiten nahezu ausgeschlossen. Oftmals kommen Verträge dann nur zu schlechteren Konditionen oder gar nicht zustande.  Bereits eine „maßgebliche“ Beeinflussung der Vertragsentscheidung könnte jedoch nach europäischem Recht rechtswidrig sein. Wertet der EuGH in seinem Urteil die Vorgehensweise der Auskunftei als automatische Entscheidung, dürfte das Geschäftsmodell ins Wanken gebracht werden.

Wie reagiert die Wirtschaftsauskunftei?

Zahlreiche Geschäftspartner der Schufa haben vertrauliche Schreiben erhalten, in denen sie dazu aufgefordert werden zu bestätigen, dass der Schufa-Score gar keinen großen Einfluss auf Vertrags- und Kreditabschlüsse hat. Von den Unternehmen wird vonseiten der Auskunftei eine schriftliche Abzeichnung hierfür gefordert. In dem Schreiben soll unter anderem bestätigt werden, dass es „kein K.-o.-Kriterium für die Begründung eines Vertragsverhältnisses“ sei, ob der Score gut oder schlecht ist. Auch soll abgezeichnet werden, dass die Verbraucherbewertung „nicht zu einer automatischen Ablehnung eines Vertragsverhältnisses“, führt. Das steht jedoch in großem Widerspruch zu Aussagen, die das Unternehmen selbst auf seiner Webseite tätigt. Denn hier ist unter anderem davon die Rede, dass die Chancen auf einen erfolgreichen Vertragsabschluss umso höher sind, je besser der Score ist. Auch der Scoring-Experte Matthias Spielkamp von der Organisation „AlgorithmWatch“ ist davon überzeugt, dass die Auskunftei wohl selbst will, dass ihre Verbraucherbewertung „konkret sehr maßgeblich für Entscheidungen sein sollte, wer einen Kredit bekommt oder einen Handyvertrag“.

Wie reagieren die Geschäftspartner auf das Schreiben der Auskunftei?

Viele der Partner zeigen sich über dieses Vorgehen verwundert. Einige haben bereits verlauten lassen, das vorgelegte zweiseitige Schreiben nicht unterschreiben zu werden. Insbesondere Telekommunikationsunternehmen oder Versandhändler legten sehr wohl einen großen Wert auf die Verbraucherbewertung der Schufa. Der Score räume die Möglichkeit ein, über potenzielle Neukunden mehr zu erfahren. Für zahlreiche Geschäftspartner hänge es demnach stark von der Bewertung ab, ob ein neuer Vertrag zustande kommt oder nicht. Lediglich Banken messen dem Score eine geringere Bedeutung bei, da sie auch aus anderen Quellen mehr über Kreditnehmer wissen. Die Schufa hat bereits angekündigt, ihre Vorgehensweise anzupassen, sollten durch das EuGH-Urteil neue Gegebenheiten vorliegen.

Update 07.12.2023: Wie hat der Europäische Gerichtshof entschieden?

Jetzt hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Die längere Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung steht im Widerspruch zur Datenschutzgrundverordnung. Außerdem machten die Richter klar, dass auch das „Scoring“ nur unter bestimmten Bedingungen zulässig ist.

Wie wurde die Entscheidung begründet?

Im deutschen öffentlichen Insolvenzregister werden Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung lediglich für sechs Monate gespeichert. Da sich diese Informationen immer negativ auswirken, hat die betroffene Person nach Ablauf der sechs Monate ein Recht auf die Löschung der Daten. Hierdurch soll Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt werden, wieder am Wirtschaftsleben teilzunehmen. Denn dies ist von existenzieller Bedeutung, wodurch die Interessen der betroffenen Personen den Interessen der Öffentlichkeit überwiegen. Der Europäische Gerichtshof machte deutlich, dass daher auch die Auskunftei zur Löschung verpflichtet ist, nachdem die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen sechs Monate verstrichen sind. Bisher speicherte die Schufa solche Daten bis zu drei Jahre in ihrer Datenbank. Konkret heißt das: Speichern private Auskunfteien wie die Schufa entsprechende Daten über eine Restschuldbefreiung länger als das öffentliche Insolvenzregister, handelt es sich um einen DSGVO-Verstoß. Auch bei einer Speicherung während der sechs Monate muss ein Gericht die gegenüberstehenden Interessen zunächst abwägen. In jedem Fall haben Betroffene allerdings das Recht, einen Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten einzulegen. Die Schufa kann die Löschung nur dann verneinen, wenn sie zwingend schutzwürdige Gründe vorlegen kann.

„Was den Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 DSGVO angeht, so sieht diese Bestimmung vor, dass eine betroffene Person das Recht hat, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtlicher Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt“, heißt es unter anderem im Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

Auch das „Scoring“ widerspricht grundsätzlich der DSGVO. Hier muss jedoch im Einzelfall entschieden werden. Dennoch macht der EuGH klar, dass es einem nationalen Gericht zusteht, eine vollständige inhaltliche Überprüfung bei jedem rechtsverbindlichen Beschluss einer Auskunftei vorzunehmen.

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