Urteil – „Abhörparagraph“ findet im öffentlichen Raum keine Anwendung

Urteil – „Abhörparagraph“ findet im öffentlichen Raum keine Anwendung

Das Landgericht Osnabrück hat am 24. September dieses Jahres einen Beschluss vom Amtsgericht Osnabrück aufgehoben, mit welchem die Beschlagnahmung eines Mobiltelefons durch Polizeikräfte bestätigt worden war (Aktenzeichen 10Qs 49/21). Das Landgericht entschied, dass das Mobiltelefon nicht hätte beschlagnahmt werden dürfen, da Tonaufnahmen im öffentlichen Raum erlaubt seien.

Was war geschehen?

Einen Monat zuvor war es in der Innenstadt von Osnabrück zu einem Einsatz der Polizei bekommen, bei welchem eine Person durch die Beamten auf dem Boden fixiert worden war, die sich widersetzt hatte. Während der polizeilichen Maßnahme wurden die Polizeibeamten mehrfach von umstehenden Personen, darunter auch von dem späteren Beschwerdeführer, gestört, weshalb Platzverweise ausgesprochen wurden. Der Beschwerdeführer fertigte mit seinem Smartphone Ton- und Bildaufnahmen von der Situation an, woraufhin er von einem Polizisten dazu aufgefordert wurde, dies zu unterlassen. Der Beamte wies den Beschwerdeführer daraufhin, dass entsprechende Tonaufnahmen strafbar seien. Wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, stellten die Beamten das Mobiltelefon des Beschwerdeführers sicher. Gegen die Beschlagnahmung seines Smartphones, legte der Betroffene eine Beschwerde ein.

Wie entschieden die Gerichte?

Das Amtsgericht Osnabrück bestätigte die Beschlagnahmung des Handys durch die Polizeibeamten mit einem Beschluss vom 14. Juli. Da hiergegen Beschwerde eingelegt wurde, landete die Angelegenheit vor dem Landgericht Osnabrück. Dieses gab dem Beschwerdeführer recht und hob dadurch die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Das LG kam zu dem Urteil, dass die Polizeibeamten das Smartphone nicht hätten beschlagnahmen dürfen. Der Grund hierfür sei, dass es keinen Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung gebe.

Wie hat das Landgericht Osnabrück die Entscheidung begründet?

Das Gericht war der Überzeugung, dass der Vorfall nicht unter den Straftatbestand des §201 Strafgesetzbuch falle, der die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe stellt. Denn der Polizeieinsatz und damit auch die Tonaufnahme habe im öffentlichen Verkehrsraum stattgefunden. Die gesprochenen Worte seien damit auch in der Öffentlichkeit gesprochen worden. Im so genannten „Abhörparagraph“ §201 StGB heißt es:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt 1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt (…)“.

Vereinfacht gesagt, wird demnach nicht jedes gesprochene Wort geschützt, sondern nur das, welches privat unbefangen geäußert wurde. Die Unbefangenheit der mündlichen Äußerung soll geschützt werden. Das dienstliche Handeln der Polizisten sei allerdings rechtlich gebunden und unterliege einer rechtlichen Überprüfung, weshalb die Unbefangenheit in diesem Fall nicht betroffen sei. Das Landgericht urteilte zudem, dass es gemäß §201 a Strafgesetzbuch nicht strafbar sei, eine Bildaufnahme im öffentlichen Raum anzufertigen. Das Gericht war der Überzeugung, dass es keinen Grund dafür gebe, das Aufnehmen von Tönen im öffentlichen Raum strenger zu ahnden als das Aufnehmen von Bildern in demselben Umfeld. Daher finde der „Abhörparagraph“ im öffentlichen Raum keine Anwendung, weshalb die Polizeibeamten das Smartphone nicht hätten beschlagnahmen dürfen.

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